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Volle Transparenz bei Treibhausgasemissionen

Publiziert: 11. März 2025

115 Kessel Haus Daisuke Hirabayashi WEB 004 115 Kessel Haus Daisuke Hirabayashi WEB 004 115 Kessel Haus Daisuke Hirabayashi WEB 004 115 Kessel Haus Daisuke Hirabayashi WEB 004

HIAG hat erstmals ein umfassendes Inventar ihrer Scope-3-Emissionen erstellt und gehört damit zu den Vorreiterinnen in der nationalen Immobilienbranche. Andreas Kalberer, Projektleiter Nachhaltigkeit, erklärt im Interview, warum HIAG die Emissionen erhoben hat und wie das Inventar die Projektentwicklung beeinflussen wird.

Andreas Kalberer, Sie haben für HIAG ein Scope-3-Inventar erstellt: Was genau sind Scope-3-Emissionen und wie unterscheiden sie sich von Scope-1- und Scope-2-Emissionen?
Unsere Bilanzierung der Treibhausgasemissionen basiert auf dem Standard des Greenhouse Gas Protocol, kurz GHG Protocol. Dieser teilt die Emissionen in drei Scopes ein. Scope-1-Emissionen werden vom Unternehmen direkt verursacht, zum Beispiel durch fossile Heizsysteme. Scope-2-Emissionen umfassen indirekte Emissionen, die durch den Bedarf an eingekaufter Energie freigesetzt werden. Unter Scope-3 fallen schliesslich alle indirekten Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen und nicht in Scope-2 enthalten sind. Dazu gehören unter anderem Emissionen aus der Erstellung von Gebäuden oder aus deren Nutzung durch die Mieter.

Wie viel Prozent der gesamten Emissionen machen die Scope-3-Emissionen bei HIAG aus?
In der Immobilienbranche fallen typischerweise im Scope-3 mit Abstand am meisten Emissionen an – die Bandbreite liegt in der Regel zwischen 70 und 90 Prozent der gesamten Treibhausgasbilanz. Bei uns waren es im Jahr 2024 knapp über 90 Prozent. Der effektive Anteil ist stark abhängig vom Geschäftsmodell des Unternehmens und kann auch grösseren jährlichen Schwankungen unterliegen.

Mit dem Inventar nimmt HIAG in der Branche eine Vorreiterrolle ein. Was hat Sie dazu bewogen, ein Scope-3-Inventar zu erstellen?
Die Bau- und Immobilienwirtschaft als Ganzes verursacht gemäss Schätzungen bis zu 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Das Thema ist für unsere Branche daher absolut relevant. Weil wir unsere Verantwortung wahrnehmen wollen, haben wir vor vier Jahren damit begonnen, unsere Treibhausgasemissionen systematisch zu erfassen: In einem ersten Schritt bildeten wir Scope-1- und -2-Emissionen des Bestandsportfolios ab. Neu haben wir erstmals unser Entwicklungsportfolio mitberücksichtigt und ein umfassendes Scope-3-Inventar erarbeitet. Dies ist für uns ein weiterer Meilenstein. Das Inventar ist ein Bekenntnis, dass wir uns dem Thema Treibhausgasemissionen ernsthaft annehmen.

«Für uns ist klar, dass die angestrebte Emissionsreduktion nur in Zusammenarbeit mit unseren Partnern gelingt.» Andreas Kalberer, Projektleiter Nachhaltigkeit bei HIAG

Scope-3-Emissionen liegen nicht im direkten Handlungsbereich des Unternehmens. Warum ist es HIAG wichtig, diese indirekten Emissionen zu erheben?
Will HIAG einen ernsthaften Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen leisten, kann sie die Scope-3-Emissionen aufgrund ihrer Bedeutung nicht ausblenden. Bisher galten diese als komplex und aufwändig in der Erhebung, weshalb man sie oft nicht oder nur halbherzig anging. Die Annahme, dass die vollständige Bilanzierung mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden ist, haben wir nun widerlegt. Innerhalb von wenigen Monaten haben wir die Scope-3-Emissionen erhoben und in ein Inventar mit über 39 Emissionsgruppen überführt. Damit schaffen wir in Bezug auf unseren CO2-Fussabdruck volle Transparenz. Weiter wollen wir mit dem Inventar auch einen Dialog anregen. Für uns ist klar, dass die angestrebte Emissionsreduktion nur in Zusammenarbeit mit unseren Partnern gelingt. So müssen wir zum Beispiel auch unsere Mieter und Fachplaner an Bord holen, wenn es um die Reduktion eben dieser Scope-3-Emissionen geht.

Wie sind Sie bei der Erhebung vorgegangen?
Das GHG Protocol sieht bei den Scope-3-Emissionen 15 Kategorien vor: von der Gebäudeerstellung über eingekaufte Dienstleistungen und Geschäftsreisen bis zur Nutzung der Immobilien und deren Abbruch am Ende ihres Lebenszyklus. Wir haben
Schritt für Schritt alle 15 Emissionskategorien analysiert, auf unser Geschäftsmodell übertragen und berechnet. Dabei weisen wir für jede Kategorie die erwartete jährliche Volatilität sowie deren Datenqualität aus. Aufgrund unseres Geschäfts sind die Emissionen in bestimmten Kategorien grossen jährlichen Schwankungen unterworfen. Dies ist zum Beispiel abhängig davon, wie viele Bauprojekte HIAG in einem Jahr fertigstellen wird. Die Datenqualität wiederum ist wichtig, weil wir die indirekten Scope-3-Emissionen nicht selbst messen können. So sind wir von Daten Dritter oder von Modellen abhängig, welche mehr oder weniger exakt sind.

Welche besonderen Herausforderungen mussten Sie bei der Erstellung des Inventars bewältigen?
Die grösste Herausforderung war die Ausgestaltung guter Modelle. Es war für uns zentral, dass diese möglichst präzise und jährlich effizient aktualisierbar sind. Wir haben hierzu ein digitales Informationssystem aufgebaut, welches uns bei der jährlichen Erhebung unterstützt.

Welchen konkreten Nutzen hat das Inventar für HIAG?
Neben der angesprochenen Transparenz zeigt das Inventar das Potenzial für zielgerichtete Reduktionsmassnahmen im Scope-3 auf. Wir kennen nun unsere gesamten Treibhausgasemissionen von Scope-1 bis -3 und können diese dank der externen Prüfung glauhaft kommunizieren.

Wie wird das Scope-3-Inventar die zukünftige Entwicklung der HIAG-Areale beeinflussen?
Zwei zentrale Emissionskategorien sind bei uns die Erstellung und
die Nutzung von Immobilien. Um die Treibhausgasemissionen in der Erstellung von Gebäuden zu senken, werden wir entsprechende Schwellenwerte pro Quadratmeter definieren. Diese Schwellenwerte können gut mit dem etablierten Absenkpfad für Scope-1- und -2-Emissionen verglichen werden. In Bezug auf die Arealentwicklung bedeutet das, dass die Erstellungsemissionen in den Ausschreibungen und Genehmigungsprozessen weiter an Gewicht gewinnen. Dies wird sich auf die Konzeption von Gebäudestrukturensowie auf die Auswahl der Baumaterialien auswirken.

Wie geht es nun im Bereich Treibhausgasemissionen weiter: Was können wir von HIAG als nächstes erwarten?
Nachdem wir vollständige Transparenz geschaffen haben, liegt unser Fokus nun auf der Wirkung. Ich sehe im Wesentlichen drei Aktionsfelder: Erstens verfolgen wir unseren Absenkpfad für das Bestandsportfolio im Bereich der Scope-1- und -2-Emissionen weiter konsequent. Zweitens wird HIAG Massnahmen zur Reduktion der Scope-1- und -2-Emissionen im Entwicklungsportfolio prüfen. Obwohl sich dieses Portfolio bereits im Transformationsprozess befindet, sehen wir noch Potenzial. Drittens wollen wir die Scope-3-Emissionen angehen, unter anderem durch die bereits angesprochenen Schwellenwerte für Neubauprojekte. Das Thema wird uns also weiterhin intensiv beschäftigen.

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